5.1. Folgen als spezielle Funktionen
Dieser Abschnitt führt die Folgen als Funktionen mit einem speziellen Definitionsbereich ein.
Weil mit ihnen unendlich feine Annäherungsprozesse simuliert werden sollen, scheidet ein endlicher Definitionsbereich von vornherein aus.
Da die Annäherung schrittweise erfolgen soll, ist eine abzählbare Menge nötig. Wir benutzen dazu die übersichtlichste aller abzählbaren Mengen, die Menge der positiven natürlichen Zahlen
.
Definition:
Ist A eine beliebige Menge, so nennen wir jede Funktion
|
[5.1.1] |
eine Folge in A.
Auf den Zusatz "in A" verzichten wir, falls
ist. Eine Folge ist also eine Folge in . Außerdem fassen wir Folgen in Teilmengen von , also etwa in , in oder auch in oft als Folgen in auf.
Bei den Folgen sind (aus historischen Gründen) die von den Funktionen her vertrauten Schreibweisen nicht gebräuchlich. Wir schreiben
statt a( n) und
anstelle von a.
Der Funktionswert
heißt in diesem Zusammenhang
auch das n-te Folgenglied der Folge .
Es ist zweckmäßig die konstanten Folgen deutlich zu benennen:
Für jedes
heißt
die konstante Folge c (in A).
|
So ist z.B. die Funktion
, gegeben
durch ,
eine Folge (in ). Für das n-te
Folgenglied gilt also:
und die gesamte Folge notieren wir
als .
Beachte:
-
Die Wahl von
als Definitionsbereich einer Folge ist zwar zweckmäßig, aber in gewisser Hinsicht auch willkürlich.
Entscheidend ist eigentlich nur, dass es sich um einen unendlichen Zählbereich mit einem Anfangspunkt handelt.
Dazu aber eignet sich auch jeder Abschnitt
von . Gelegentlich werden wir daher auch eine Funktion der Form
eine Folge in A nennen und notieren sie dann als .
Wie bei gewöhnlichen Funktionen auch, kann man bei Folgen
Wertetabellen aufstellen. Für unsere Beispielfolge etwa erhält
man :
n |
1 |
2 |
3 |
4 |
5 |
6 |
7 |
|
2 |
11 |
26 |
47 |
74 |
107 |
146 |
Üblicherweise setzt man dabei die natürlichen Zahlen n der
Reihe nach ein. Wenn man sich auf dieses Verfahren festlegt, ist die Kopfzeile
der Wertetabelle eigentlich überflüssig. Es ist daher üblich,
die Wertetabellen in ihrer kompakten Form
anzugeben.
Unser Beispiel können wir also so notieren:
In den folgenden Beispielen lassen sich bei Bedarf die Wertetabellen abrufen:
Wertetabellen von Folgen zu erstellen ist oft eine Routineaufgabe und nur selten eine Herausforderung. Deutlich interessanter, aber auch schwieriger, ist die
umgekehrte Aufgabe:
Man finde zu einer gegebenen Wertetabelle eine zugehörige Folgenvorschrift! Die
folgenden Beispiele machen deutlich, dass man nicht mit einem starren
Lösungsschema rechnen kann, sondern eher intuitiv, mit einem kreativen
Blick vorgehen muss.
Beispiel:
-
Diese Folge fällt durch ihren 3-er Rhythmus auf, so dass man die
Vielfachen der 3 in Erwägung zieht:
Interessanterweise
liegt man bei jedem Folgenglied um eine Einheit zu niedrig, es ist daher
eine gute Idee
zu setzen.
-
Bei dieser Folge ist die Situation ähnlich: Läge jedes Folgenglied um eine Einheit höher, so hätte man
die Quadratzahlen. Also lohnt sich der Versuch
.
-
Ohne die ersten vier Folgenglieder käme man mit
sehr gut zurecht. Also versucht man
die Folgenglieder um 4 Einheiten nach rechts zu schieben:
. Das ergibt:
Bis auf das Vorzeichen der ersten drei Folgenglieder ist jetzt alles in Ordnung.
Die Vorzeichen aber können wir mit dem Betrag korrigieren:
.
-
Man erkennt schnell, dass im Zähler die ungeraden Zahlen ab 3 stehen;
wenn man im Nenner die 2-er Potenzen nicht direkt erkennt, fällt vielleicht
dennoch auf, dass jeder neue Nenner das Doppelte des alten ist, wenn
man also mit 2 beginnt, erhält der Reihe nach:
die 2-er Potenzen eben. Also setzt man hier
.
|
Hier nun einige Folgen, bei denen man selbst überlegen muss:
Aufgaben:
-
-
-
-
|
Grundlegend für die Analysis sind die reellen Zahlenfolgen, also die Folgen in
. Mit
ihnen kann man, wie mit gewöhnlichen reellen Funktionen auch, rechnen.
Die folgende Bemerkung klärt, ob die reellen Zahlenfolgen bei der Anwendung der
Grundrechenarten unter sich bleiben oder nicht.
Bemerkung:
Sind
und
zwei Folgen, so gilt:
1.
ist eine Folge und .
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[5.1.2] |
2.
ist eine Folge und .
|
[5.1.3] |
3.
ist eine Folge und .
|
[5.1.4] |
4.
ist in der Regel keine Folge mehr.
|
[5.1.5] |
Beweis:
Folgen zeichnen sich nur durch ihren Definitionsbereich aus. Die Folgen in 1. bis 3. haben also
den Definitionsbereich
und sind daher selbst wieder Folgen.
Die jeweils angegebene Darstellung ist nichts anderes als die Funktionsvorschrift
für z.B. die Summe zweier Funktionen; dies wird deutlich, wenn man noch
einmal zur alten Schreibweise zurückgeht:
.
Zu 4. reicht ein Gegenbeispiel: So hat etwa die Funktion nicht mehr den Definitionsbereich .
|
Beachte:
-
Der Quotient zweier Folgen verliert seine Folgeneigenschaft nicht generell, sondern nur falls unter den Gliedern der Nennerfolge der Wert 0 vorkommt. Man hat also:
ist eine Folge
hat keine Nullstellen.
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[5.1.6] |
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Hat die Nennerfolge nur endliche viele Nullstellen, so kann man über die zu Beginn erwähnte Verallgemeinerung des Folgenbegriffs einen sinnvollen
Quotienten einführen. Das Gegenbeispiel aus dem Beweis zu 4. etwa läßt sich folgendermaßen retten:
Neben der Möglichkeit aus gegebenen Folgen neue herzustellen,
läßt die obige Bemerkung auch das Zerlegen einer Folge in einfachere
zu. Dies erkennt man an den letzten beiden Folgen des nachfolgenden Beispiels. Die Zerlegung der letzten Folge ist dabei durch Kürzen
entstanden. Zerlegungen dieser Art, die offensichtlich die Folge komplizierter darstellen als eigentlich nötig, werden sich in einem späteren Abschnitt als äußerst wirkungsvoll erweisen.
Beispiel:
-
-
-
-
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In den folgenden Abschnitten beschäftigen wir uns vornehmlich mit der Theorie der reellen Zahlenfolgen. Alle erzielten Ergebnisse lassen sich auch für Folgen des erweiterten Typs analog formulieren und beweisen.
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