5.3. Monotone Folgen, beschränkte Folgen
In diesem Abschnitt studieren wir zwei unterschiedliche Eigenschaften, die Folgen besitzen können oder nicht.
Zunächst werden Folgen untersucht, die eine bestimmte "Laufrichtung"
repräsentieren, indem sie etwa beständig immer größere
Werte annehmen. Zum zweiten sollen Folgen betrachtet werden, deren "Laufbereich" nach links
und rechts begrenzt ist, Folgen in einem Intervall also.
Definition: Eine Folge heißt
-
monoton wachsend, falls
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[5.3.1] |
-
monoton fallend, falls
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[5.3.2] |
Ersetzt man in [5.3.1] durch , so nennt man streng monoton wachsend. Analog ergibt sich der Begriff streng monoton fallend.
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Beachte:
ist nicht monoton wachsend, falls es ein
gibt mit
ist nicht monoton fallend, falls es ein
gibt mit
Beispiel:
-
ist monoton wachsend, denn für alle
ist die folgende Äquivalenz gültig und die letzte Aussage wahr:
-
ist monoton fallend. Auch hier führen wir die Behauptung äquivalent auf eine wahre Aussage zurück:
-
ist weder monoton fallend noch monoton wachsend, denn:
-
Jede konstante Folge
ist sowohl monoton fallend als auch monoton wachsend, denn es gelten ja beide Ungleichungen:
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In der folgenden Bemerkung tragen wir einige Eigenschaften der Monotonie zusammen.
Wir notieren sie nur für monoton wachsende Folgen; sinngemäß
gelten sie auch für monoton fallende.
Bemerkung:
-
ist monoton wachsend für alle n.
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[5.3.3] |
-
ist monoton wachsend für alle n.
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[5.3.4] |
-
ist monoton wachsend ist monoton wachsend für jedes k.
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[5.3.5] |
-
ist monoton wachsend ist monoton fallend.
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[5.3.6] |
Beweis: In 1. und 4. ist lediglich die Bedingung
entsprechend umzustellen. 3. ist trivial.
2. ►
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Wir führen einen Induktionsbeweis:
-
-
Sei jetzt Wegen der Monotonie ist dann gilt aber auch:
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Im letzten Beispiel haben wir gesehen, dass die konstanten Folgen in beiden Richtungen monoton sind. Diese Eigenschaft charakterisiert sie eindeutig.
Bemerkung:
ist monton fallend und monoton wachsend
ist konstant.
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[5.3.7] |
Beweis:
"": Nach [5.3.4] ist Folglich ist für alle n, d.h. ist konstant.
"": Diese Richtung ist das letzte Beispiel.
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Die Monotonie verträgt sich nur bedingt mit dem Verrechnen von Folgen.
So haben z.B. die beiden monoton wachsenden Folgen und
eine Differenz, die überhaupt nicht mehr monoton ist:
Die Addition und, mit Einschränkungen, die Multiplikation verhalten sich besser. Auch hier beschränken wir uns auf monoton wachsende Folgen.
Bemerkung: Sind und zwei monoton wachsende Folgen, so wächst auch
-
monoton
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[5.3.8] |
-
monoton, falls
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[5.3.9] |
Beweis:
1. ►
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Nach Voraussetzung bestehen für jedes n zwei Ungleichungen:
Durch seitenweise Addition ergibt sich daraus die Behauptung:
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2. ►
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Da man Ungleichungen in
ebenfalls seitenweise multiplizieren darf, können wir wie in 1. vorgehen.
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Die Verträglichkeit der Monotonie mit den Grundrechenarten ist also nicht sehr ausgeprägt. Deutlich besser verhält sich in dieser Hinsicht die
nächste Eigenschaft, die Beschränktheit.
Definition: Eine Folge heißt beschränkt, falls es zwei Zahlen ("Schranken")
gibt, so dass
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[5.3.10] |
heißt unbeschränkt, falls in mindestens einer Richtung keine Schranke zuläßt.
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Beachte:
ist genau dann beschränkt, wenn es ein Intervall gibt, so dass eine Folge in ist.
ist genau dann unbeschränkt, wenn in jedem Intervall mindestens ein Folgenglied fehlt.
Für Beispiele ist es oft günstig eine zweite Fassung
der Beschränktheitsbedingung zur Verfügung zu haben, nämlich
die "betragsmäßige" Beschränktheit. Sie bietet den Vorteil,
statt zwei Schranken nur eine finden zu müssen.
Bemerkung:
ist beschränkt es gibt ein , so dass
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[5.3.11] |
Beweis:
"": Wir verlängern die gegebene Ungleichung zu:
.
Mit hat man also und damit: .
"": bedeutet: .
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Nun zu einigen Beispielen. Wir verwenden dabei oft eine Standardtechnik,
das sog. "Abschätzen". Gemeint ist damit das Verfahren, einen Ausdruck
durch geeignete Schritte zu vergrößern (oder zu verkleinern).
Häufig werden etwa die folgenden Abschätzungstricks zur Vergrößerung eingesetzt:
-
Bei einer Summe einen Summanden vergrößern, etwa:
-
Bei einer Differenz weniger subtrahieren, etwa:
-
Bei einem Produkt positiver Faktoren einen Faktor vergrößern, etwa:
-
Bei einem Bruch mit positivem Zähler und positivem Nenner den Zähler vergrößern oder den Nenner verkleiner, etwa:
Durch (korrektes) Abschätzen macht man keinen Fehler, auch wenn sich
die Ausdrücke ändern, denn es wird nicht =, sondern
manipuliert! Allerdings sind
die Umformungsmöglichkeiten bei Ungleichungen deutlich reichhaltiger
als bei Gleichungen. Darunter leidet gelegentlich die Übersichtlichkeit.
Auch hat man oft den Eindruck, die Abschätzungschritte würden
willkürlich gewählt. Dabei ist die Wahl der Schritte aber immer
auf ein Ziel ausgerichtet.
Beispiel:
-
ist beschränkt, denn: für alle n.
|
[5.3.12] |
-
ist beschränkt, denn: für alle n.
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[5.3.13] |
-
Jede konstante Folge ist beschränkt, denn mit gilt für jedes Folgenglied: .
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[5.3.14] |
-
ist beschränkt, denn:
|
|
Wie bereits angedeutet wird die Beschränktheit von den Grundrechenarten besser vererbt als die Monotonie.
Bemerkung: Sind und zwei beschränkte Folgen, so ist auch
-
beschränkt
|
[5.3.15] |
-
beschränkt
|
[5.3.16] |
-
beschränkt
|
[5.3.17] |
Beweis: Wir verwenden in allen drei Fällen die betragsmäßige Beschränktheit [5.3.11].
Nach Voraussetzung gibt es also Zahlen , so dass
Mit Hilfe der Dreiecksungleichung erhalten wir daraus für alle die folgenden Abschätzungen:
1. ►
|
|
2. ►
|
|
3. ►
|
|
Wir können also in allen drei Fällen sämtliche Folgenglieder durch eine positive reelle Zahl abschätzen.
Dies garantiert, wieder nach [5.3.11], jeweils die Beschränktheit.
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Als eine erste Folgerung erhalten wir aus den Beispielen [5.3.13] und [5.3.14] das folgende Ergebnis:
Für jedes ist die Folge beschränkt.
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[5.3.18] |
Die folgende Bemerkung zeigt, dass sich die Beschränktheit auf "kleinere" und die Unbeschränktheit auf "größere" Folgen überträgt.
Bemerkung: Sind und zwei Folgen, so dass
,
so hat man:
-
beschränkt beschränkt
-
unbeschränkt
unbeschränkt
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[5.3.19] |
Beweis:
1. ►
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Es gibt ein , so dass . Das ist aber bereits die Behauptung.
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2. ►
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Wäre beschränkt, so müsste nach 1. auch beschränkt sein. Widerspruch!
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Mit 1. lassen sich über unsere beschränkte Referenzfolge aus [5.3.18] weitere beschränkte Folgen angeben.
So hat man etwa - wegen - :
Für
ist die Folge beschränkt.
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[5.3.20] |
Wenn wir von 2. in ähnlicher Weise profitieren wollen, benötigen wir zunächst eine unbeschränkte Referenzfolge.
Bemerkung:
ist unbeschränkt.
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[5.3.21] |
Beweis: Wir erinnern an das Vollständigkeitsaxiom
Jede nicht-leere beschränkte Teilmenge von besitzt eine größte untere Schranke, ihr Infimum, und eine kleinste obere Schranke, ihr Supremum
und gehen indirekt vor: Ist beschränkt, so ist eine nicht-leere beschränkte Teilmenge von , so dass wir über die reelle Zahl verfügen.
Da s die kleinste obere Schranke von
ist, kann
keine obere Schranke sein. Also gibt es ein , so dass . Das bedeutet für die positive natürliche Zahl
:
Damit aber ist s keine obere Schranke von . Widerspruch!
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Beachte:
-
[5.3.21] drückt noch einmal aus, dass die reellen Zahlen archimedisch angeordnet sind.
Der Beweis ist also i.w. nur eine Kopie der Argumentation aus Kapitel 3.
Die Unbeschränktheit von liefert nun weitere Beispiele unbeschränkter Folgen.
Beispiel:
-
ist unbeschränkt,
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denn:
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-
Für jedes ist unbeschränkt,
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[5.3.22] |
denn wäre beschränkt, so auch . Widerspruch!
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-
Für jedes ist unbeschränkt,
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[5.3.23] |
denn:
|
-
Für ist unbeschränkt,
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[5.3.24] |
denn wäre beschränkt, so auch
. Widerspruch!
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Die beiden Eigenschaften monoton und beschränkt - dies sei zum
Abschluss erwähnt - stehen in keiner Beziehung zu einander:
Einerseits gibt es unter den monotonen Folgen sowohl beschränkte, als
auch unbeschränkte. Andererseits können auch nicht-monotone Folgen
beschränkt oder unbeschränkt sein.
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