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9.10. Lineare Abbildungen |
Wir wenden uns nun den strukturverträglichen Abbildungen zu, Abbildungen
also zwischen zwei Vektorräumen, die die Vektoraddition und die skalare Multiplikation respektieren.
Definition: V und W seien zwei
Vektorräume. Wir nennen eine Abbildung
linear (oder auch einen Homomorphismus), falls für alle und gilt:
.
Die Menge aller linearen Abbildungen von V nach W
bezeichnen wir mit dem Symbol Hom(V,W).
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Beachte:
- Eine lineare Abbildung ist insbsondere mit der Addition verträglich
(wähle !):
,
mit der Subtraktion
(wähle und !):
,
und mit der skalaren Multiplikation (wähle !):
.
- Die für nur zwei Summanden formulierte Bedingung läßt sich (per
Induktion) auf beliebig viele übertragen. Lineare Abbildungen sind daher
auch mit der Bildung von Linearkombinationen veträglich:
.
- Die Situation wird
meist sprachlich unterschieden:
Eine lineare Abbildung nennt man auch eine Linearform
und die Menge V ' := Hom(V,R
) den Dualraum von V.
Wir beginnen die Untersuchung der linearen Abbildungen mit einem einfachen, aber
nützlichen Kriterium:
Bemerkung: Ist linear, so gilt: .
Die Umkehrung ist i.a. falsch!
Beweis:
.
Die Quadratfunktion ist nicht linear, denn z.B. ist und , aber: .
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Beispiel:
-
gegeben durch ist linear, denn: .
-
gegeben durch ist nicht linear, denn z.B. ist , aber .
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Beachte:
- ist genau dann linear, wenn b = 0 ist. Die "alten"
linearen Funktionen sind also nur in Sonderfällen lineare
Abbildungen!
Interessant ist wieder das Zusammenspiel zwischen Analysis und linearer
Algebra. Viele Rechenregeln aus der Analysis lassen sich nun unter einem einheitlichen
Gesichtspunkt formulieren.
Beispiel: Die folgenen Abbildungen aus der
Analysis sind linear. Der Nachweis ist durch den Beweis der jeweiligen
Rechenregel bereits geführt.
- .
-
.
-
gegeben durch .
-
gegeben durch , für .
-
.
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Auf das folgende Beispiel kommen wir im Abschnitt über die verallgemeinerte
Differenzierbarkeit noch einmal zurück.
Beispiel: Es sei . Die Funktion
gegeben durch
ist eine Linearform. Wir nennen sie die Diracsche Deltaform.
Beweis: .
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Das nächste Beispiel stellt einige allgemeine lineare Abbildungen vor, die
in natürlicher Weise zu jedem Vektorraum gehören.
Bemerkung: V und W seien Vektorräume, ein Untervektorraum, . Dann sind die folgenden Abbildungen linear:
-
die Nullabbildung.
-
die Identität auf V.
-
gegeben durch die Streckung mit einem festen Skalar .
-
gegeben durch die zu U gehörige Inklusion.
- gegeben durch die zu U gehörige Projektion.
Beweis:
Zu 1.: .
Zu 2.: .
Zu 3.: .
Zu 4.: .
Zu 5.: .
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Beachte:
- Während die Streckung mit einem festen Skalar linear ist, gilt eine entsprechende Aussage für die Verschiebung um festen
Vektor a
gegeben durch
bis auf eine Ausnahme nicht! Denn für hat man: .
Ein Vorteil der linearen Abbildungen gegenüber anderen Funktionen ist ihre
Überschaubarkeit: Lineare Abbildungen sind durch ihre Werte auf den
Basisvektoren - und bei endlichen Vektorräumen sind dies nur endlich viele (!)
- bereits eindeutig bestimmt.
Bemerkung: V und W seien
Vektorräume. Dann gilt:
- Ist eine Basis von V, so gibt es zu jeder Sequenz aus W genau eine lineare Abbildung
,
so dass .
-
Ist eine Basis von
V, so läßt sich jede Funktion auf genau eine Weise zu einer linearen Abbildung
fortsetzen.
Beweis:
Zu 1.: Zunächst zur Eindeutigkeit: Ist eine weitere Abbildung der genannten Art, so hat man für jedes :
.
Zur Konstruktion von f setzen wir für :
.
Die so definierte Abbildung erfüllt offenbar die Forderung , und sie ist linear: Hat man etwa
so ist:
Zu 2.: Der Beweis ist i.w. eine Kopie des gerade geführten. Man
beachte dabei, dass es zu jedem genau eine Darstellung mit geeigneten Basisvektoren gibt. Dies sichert wie gerade die Eindeutigkeit, und durch die
Festsetzung
ist auch hier die gesuchte lineare Abbildung f
konstruiert.
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Mit linearen Abbildungen sind stets zwei charakteristische Mengen - und wie
wir sehen werden sogar Untervektorräume - verbunden.
Definition: Es sei V und W seien zwei
Vektorräume, linear. Dann heißt die Menge
- der Kern von f.
- das Bild von f.
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Über den Kern und das Bild von f lassen sich oft
Eigenschaften von f beschreiben, so hat man z.B.:
Bemerkung: sei linear. Dann gilt:
- f ist surjektiv.
- f ist injektiv.
Beweis:
Zu 1.: f ist genau dann surjektiv, wenn jedes Element von W
ein Urbild besitzt, wenn also W ausschließlich aus f-Bildern
besteht.
Zu 2.:
: Es reicht zu zeigen: . Sei dazu , also: . Da auch , hat man insbesondere: .
: Sei . Folgt: .
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Bemerkung: sei linear, und . Dann gilt:
- .
-
.
- ist ein Untervektorraum von W.
Beweis: Zu 1.:
2 ist ein Spezialfall von 1.
Zu 3.: Mit 1. hat man: . ist also stets ein
Erzeugnis, insbesondere damit ein Untervektorraum.
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Bemerkung: sei linear. Dann gilt: ist ein
Untervektorraum von V.
Beweis:
Es sind drei Punkte zu überprüfen:
- , denn: .
- , d.h.: .
- , also: .
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Lineare Abbildungen deren Kern der Nullraum ist, sind vom großer Bedeutung,
denn sie besitzen automatisch weitere interessante Eigenschaften, wie etwa die
oben bereits nachgewiesene Injektivität. Im Folgenden nun zeigen wir, dass sie
die lineare Unabhängigkeit vererben.
Bemerkung: sei linear mit . Dann gilt:
Beweis:
Sei , d.h.
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Wir untersuchen nun die Verrechnungmöglichkeiten von linearen Abbildungen
untereinander. Zunächst kann man - wie bei allen Funktionen - zwei lineare
Abbildungen hinter einander schalten; Die Linearität geht dabei nicht verloren!
Bemerkung: Sind und zwei lineare Abbildungen, so ist auch
linear.
Beweis:
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Die Grundrechenarten, also die Rechenarten in , ließen sich auf die reellwertigen Funktionen übertragen. Analog dazu führen
wir nun für W-wertige Funktionen das Rechnen mit den Rechenarten von W
ein, d.h. wir übertragen die Vektoraddition und die skalare Multiplikation. Dabei
beschränken wir uns auf lineare Funktionen mit festem
Definitionsbereich.
Definition: V und W seien zwei
Vektorräume und zwei lineare Abbildungen. Dann heißt
- gegeben durch die Summe
von f und g.
- gegeben durch das α-fache
von f.
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Erwartungsgemäß sind die so eingeführten Rechenarten mit der Linearität
verträglich.
Bemerkung: Sind linear, so auch
- .
- .
Beweis:
Zu 1.:
Zu 2.:
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Damit haben wir nun die Möglichkeit, lineare Abbildungen von V nach W,
also die Elemente von Hom(V,W) "wie Vektoren" zu
verrechnen! Das dies nicht nur eine oberflächliche Ähnlichkeit ist, zeigt der
nächste Satz:
Bemerkung: Sind V und W zwei
Vektorräume, so ist ( Hom(V,W)
, + , ·
) ebenfalls ein Vektorraum.
Beweis:
Zunächst sind nach der Vorüberlegung + und · Rechenoperationen auf Hom(V,W):
Nun sind die acht Vektorraumaxiome zu bestätigen: Da alle hier
auftretenden Vektoren Abbildungen von V nach W sind, läßt
sich jede Regel bereits über die Gleichheit der Funktionsvorschriften
beweisen. Wir verwenden dazu die entsprechenden Regeln in W. Zur
optischen Orientierung sind zusammengesetzte Funktionen durch
eckige Klammern markiert.
- + ist assoziativ:
- + ist kommutativ:
- ist neutrales Element:
- ist invers zu f:
- :
- :
- :
- :
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In der folgenden Definition zeichnen wir spezielle lineare Abbildungen aus.
Sie eignen sich zu strukturellen Untersuchungen von Vektorräumen.
Definition: V und W seien zwei
Vektorräume. Eine umkehrbare, lineare Abbildung
nennen wir einen Isomorphismus.
Gibt es eine solche Abbildung zwischen V und W, so sagen
wir, V und W seien isomorph, in Zeichen: .
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Beachte:
- Ein Isomorphismus ist also ein bijektiver Homomorphismus.
- Für eine lineare Abbildung hat man:
f ist Isomorphismus
.
-
Ein wichtige Gruppe von Isomophismen ist uns bereits bekannt :
-
Nach einer Bemerkung in
9.5. ist für jeden endlichen Vektorraum V mit einer Basis die zugehörige Koordinatentransformation
ein Isomorphismus. Hiermit ist also die damalige Aussage "jeder endliche
Vektorraum ist die Kopie eines geeigneten "
mathematisch präzisiert!
-
Ebenso trifft dies auf einen nicht-endlichen Vektorraum V mit einer
Basis B zu: Auch hier ist die zugehörige Koordinatentransformation
ein Isomorphismus.
Isomorphe Vektorräume stimmen in ihren Kenndaten überein, Isomorphismen
erhalten alle relevanten Eigenschaften. In den folgenden drei Aussagen ist dies
beispielhaft vorgestellt.
Bemerkung: sei Isomorphismus. Dann gilt
- Basis von V Basis von W.
- V endlichW
endlich.
- dim V = dim W.
Beweis:
Zu 1.: Wir nutzen einige Ergebnisse aus dem oberen Teil dieses
Abschnitts.
Da f injektiver Homomorphismus ist, hat man: , so dass man argumentieren kann:
linear unabhängig
linear
unabhängig.
Ferner ist maximal, d.h. . Folgt mit der Surjektivität von f :
.
Also ist auch maximal.
2.
folgt direkt aus 1., ebenso 3. für endliche Vektorräume. Für
nicht-endliche Vektorräume ergibt sich 3. aus der leicht einzusehenden
Verallgemeinerung von 1.:
B Basis von V Basis von W.
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Die Isomorphie zwischen Vektorräumen ist eine Äquivalenzrelation,
d.h. es gelten die folgenden drei Beziehungen:
Bemerkung: V, W und U seien
drei Vektorräume. Dann gilt:
-
-
-
Beweis:
Zu 1.: ist linear und bijektiv, also ein
Isomorphismus.
Zu 2.: Ist , so gibt es einen Isomorphismus . Da f bijektiv ist, existiert die Umkehrabbildung ; sie ist ebenfalls
bijektiv. Wir zeigen jetzt: ist linear.
Da sich f und in ihrer Wirkung gegenseitig aufheben, hat man auf Grund der Linearität
von f die folgende Gleichung:
Insgesamt ist somit ebenfalls ein
Isomorphismus; das bedeutet: .
Zu 3.: Nach Voraussetzung gibt es
Isomorphismen und . Nun
ist die Funktion
wieder bijektiv und linear, also ein
Isomorphismus, d.h. aber: .
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Zwar ist nicht jeder Homomorphismus bijektiv, aber jedem Homomorphismus ist in natürlicher Weise ein Isomophismus zugeordnet.
Dieser Sachverhalt stärkt die Bedeutung der Isomorphismen und beleuchtet
gleichzeitig die Rolle der Quotientenräume.
Satz (Homomorphiesatz): sei linear. Setzt man für
, (+)
so ist durch diese Zuordung ein Isomorphismus
gegeben. Also ist .
Beweis: Zunächst ist sicherzustellen, dass die Festsetzung in (+)
wohldefiniert, d.h. vertreterunabhängig ist: Hat man aber etwa
,
so folgt: .
Wir zeigen nun:
- ist linear:
- ist injektiv:
-
ist surjektiv: Da per Definition als Bildbereich festgelegt ist, hat man hier nichts zu zeigen.
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