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9.9. Lineare
Gleichungssysteme |
In diesem Abschnitt untersuchen wir beliebige lineare Gleichungssysteme, also
etwa Systeme von n Gleichungen mit m Unbekannten, die wir
"klassisch" mit den Unbekannten notieren:
oder als eine (!) Vektorgleichung mit dem
Unbekanntenvektor x:
.
Durch die folgende Einführung eines
Produkts zwischen zwei Vektoren lassen sich lineare Gleichungssysteme bequemer
schreiben.
Definition: Für heißt die Zahl
das Skalarprodukt von x und y. Statt schreibt man üblicherweise auch xy.
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Zunächst eröffnet das Skalarprodukt eine zweite Möglichkeit, einen
Bildvektor auszurechnen, und zwar über die Zeilenvektoren der
Matrix .
Bemerkung: Ist eine n × m - Matrix, so gilt für :
.
Beweis:
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Nach diesen Vorbereitungen formulieren wir nun den Begriff lineares
Gleichungssystem in Matrixschreibweise. Solche Systeme lassen sich dadurch
bequem und elegant notieren.
Definition:
Ist eine n × m - Matrix und ,
so nenen wir eine Gleichung der Form
(*)
ein lineares Gleichungssystem von n Gleichungen mit m
Unbekannten (kurz: ein lineares n × m - System).
Wir nennen das System (*) homogen, falls , und
inhomogen falls .
ist die Koeffizientenmatrix von (*), b die rechte
Seite von (*). Die Menge
heißt Lösungsmenge von (*). Im homogenen Fall ist
offensichtlich .
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Die Lösungsmenge eines linaren Gleichungssystems ist interessant
strukturiert:
Bemerkung: sei ein lineares Gleichungssystem mit nicht
leerer Lösungsmenge L. Dann gilt für jedes :
Nicht leere Lösungsmengen sind also immer affine Unterräume.
Beweis:
Sei , also . Dann ist:
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Wir notieren zunächst zwei einfache Beispiele, in denen "nur"
die Nullmatrix und die Einheitsmatrix des als Koeffizientenmatrix auftreten. Dennoch enthalten beide Beispiele bereits
grundlegende Züge für das Lösen allgemeiner Ssyteme. Gleichzeitig
realisieren sie alle drei vorkommenden
Lösungsmöglichkeiten:
- keine Lösung
- genau eine Lösung, d.h.
- unendlich viele Lösungen, d.h.
Beispiel:
- , falls .
.
- .
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Das erste Beispiel gibt einen Hinweis auf die mögliche Lösbarkeit
eines Gleichungssystems:
Bemerkung:
Ist ein lineares Gleichungssystem, so gilt:
- Tritt in der Koeffizientenmatrix eine Nullzeile auf, die in der
rechten Seite b nicht durch 0 bedient wird, ist die Lösungsmenge leer: .
- Steht jeder Nullzeile von eine Null in b gegenüber, so tragen diese Zeilen nicht zur Lösung
bei und können vollständig weggelassen werden.
Beweis:
Sei etwa .
Ist nun , so hat zur Folge: - Widerspruch.
Ist dagegen , so ist für alle x wahr, d.h. also:
.
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Beispiel:
-
-
.
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Es reicht also, im Folgenden nur
nullzeilenfreie Systeme zu betrachten! Als nächstes verallgemeinern wir die
Äquivalenz , um auch nicht quadratische Systeme behandeln zu können.
Bemerkung und Bezeichnung:
Ein lineares n × m - System der Form
nennen wir maximal diagonalisiert.
Das Lösungsverhalten eines solchen Gleichungssystems ist direkt
ablesbar:
- Ist , so gibt es keine (*)-Spalten, und
die Koeffizientenmatrix ist die Einheitsmatrix. Die rechte Seite b ist also einzige
Lösung:
.
Ist , etwa , so treten k (*)-Spalten auf, etwa . Das System besitzt dann unendliche viele Lösungen. Die
Lösungsmenge ist der k-dimensionale affine Unterraum
.
ist dabei die Standardbasis und 0 der Nullvektor des .
Beweis:
Der L zugrundeliegende
Unterraum ist darüber hinaus der Kern der Koeffizientenmatrix.
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Beispiel:
-
.
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Ziel ist es nun, ein beliebiges lineares Gleichungssystem durch "geeignete Manipulationen" in ein maximal diagonalisiertes System umzuschreiben, ohne dabei die Lösungsmenge zu verändern. Wie gerade beschrieben, läßt sich die Lösungsmenge dann direkt ablesen.
Dieses Verfahren zur Lösung linearer Gleichungssysteme heißt Gauß-Algorithmus.
Der Abschnitt über affine Unterräume endete mit der Aussage, dass der
Schnitt zweier affiner Unterräume - sofern nicht leer - wieder ein affiner
Unterraum ist. Mit den nun zur Verfügung stehenden Methoden können wir für affine
Unterräume des einen solchen Schnitt auch effektiv auszurechnen!
Zur
Vorbereitung dient eine einfache, auch für beliebige Vektorräume gültige
Aussage:
Bemerkung: Sind und zwei affine Unterräume, so ist
.
D.h. für gilt: .
Der Beweis ergibt sich direkt aus der Äquivalenz .
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Wir betrachten nun affine Unterräume des : und .
Für , etwa , führt nun die Äquivalenz
die Suche nach den Schnittelementen direkt zurück auf das
Lösbarkeitsproblem einer aus den Daten von M und N gewonnen
linearen Gleichung. Ihr Lösungsverhalten kann man mit Hilfe des
Gauß-Algorithmus bestimmen.
Darüber hinaus liefert im Lösbarkeitsfall die Gleichung für jeden Lösungsvektor y eine Darstellung von
x als Element von N:
.
Wir üben dieses Verfahren an einigen Beispielen:
Beispiel:
- Für und gilt: ,
denn: ist ,
so erhält man mit Hilfe des Gauß-Algorithmus:
- Für und gilt: ,
denn mit hat man:
- Für und gilt: ,
denn der Gauß-Algorithmus liefert für :
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