5.10. Doppelfolgen und Doppelreihen
Wir erweitern in diesem Abschnitt den Folgenbegriff: Bisher haben wir uns mit eindimensional indizierten Listen reeller Zahlen befasst, eine Deutung, die auch durch unsere Notation unterstützt wird. Es liegt nahe, auch zweidimensionale Listen in unsere Überlegungen einzubeziehen.
Zwar gewinnen wir dadurch i.w. keine neuen Inhalte (siehe etwa [5.10.9] - [5.10.12]), dennoch spielen Doppelfolgen unter technischen Gesichtspunkten eine wichtige Rolle. Mit ihrer Hilfe nämlich finden wir grundlegende Kriterien ([5.10.23] und [5.10.26]), die das Vertauschen von Grenzprozessen gestatten.
Definition: Jede Funktion
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[5.10.1] |
nennen wir eine Doppelfolge (in ).
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[5.10.2] |
heißt die zu gehörige Doppelreihe.
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Beachte:
Wie bei den gewöhnlichen Folgen auch, werden wir Funktionen von ebenfalls als Doppelfolgen bezeichnen. Wir notieren sie dann (wie in [5.10.2] bereits geschehen) in der Form .
-
Wertetabellen von Doppelfolgen müssen natürlich flächenhaft angelegt werden. Dabei fassen wir n als nach unten laufenden Zeilenindex und m als nach rechts laufenden Spaltenindex auf. Z.B.:
Wir übertragen nun die bei den gewöhnlichen Folgen eingeführten Standardbegriffe.
Definition: Eine Doppelfolge heißt
1.
beschränkt, falls es ein und ein gibt, so dass
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[5.10.3] |
2.
monoton wachsend, falls für alle gilt:
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[5.10.4] |
3.
monoton fallend, falls für alle gilt:
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[5.10.5] |
4.
konvergent gegen (in Zeichen: ), falls es zu jedem
ein gibt, so dass
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[5.10.6] |
5.
Cauchy-Folge, falls es zu jedem ein gibt, so dass
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[5.10.7] |
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Beachte:
Beispiel:
-
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[5.10.8] |
Denn wählt man zu ein , so gilt für alle :
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Die neuen Begriffe sind den alten so parallel angelegt, dass man auch gleiche Eigenschaften erwarten darf.
Die folgende Bemerkung erleichtert deren Nachweis. Zu ihrer Formulierung vereinbaren wir: Eine Funktion
heißt streng wachsend falls die Koordinatenfunktionen streng monoton wachsend sind.
Man beachte, dass für jede Doppelfolge die Funktion
eine gewöhnliche Folge ist. Ferner zeigt man leicht per Induktion:
für alle n
Bemerkung: Es sei irgendeine Doppelfolge, dann gilt:
1.
beschränkt
beschränkt für alle streng wachsenden
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[5.10.9] |
2.
monoton
monoton für alle streng wachsenden
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[5.10.10] |
3.
für alle streng wachsenden
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[5.10.11] |
4.
Cauchy-Folge
Cauchy-Folge für alle streng wachsenden
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[5.10.12] |
Beweis:
1. ►
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"" Sei .
Für ist , also hat man: , und damit:
.
"" zeigen wir indirekt: Ist unbeschränkt, so ist insbesondere die Aussage
für kein k gültig. Also gibt es zu jedem Zahlen , so dass
.
Wir setzen nun rekursiv
wobei .
ist streng wachsend, denn für alle , hat man:
Die Abschätzung zeigt nun, dass
unbeschränkt ist. Widerspruch!
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2. ►
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Wir betrachten beispielhaft nur monoton wachsende Folgen.
"": Für hat man und damit: .
"": Auch hier argumentieren wir indirekt. Angenommen es gibt zwei Zahlenpaare mit , so dass . Wir setzen nun
.
ist offensichtlich streng wachsend, denn
aber wächst nicht monoton. Widerspruch!
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3. ►
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"": Zu gibt es ein , so dass
.
Da hat man somit für alle erst recht:
"": Wir gehen noch einmal indirekt vor und nehmen an, konvergiere nicht gegen g. Dann gibt es ein , derart dass zu jedem Zahlen gibt mit
Ähnlich wie in 1. liefert nun die Rekursion
mit , ein streng wachsendes , so dass
.
ist damit divergent. Widerspruch!
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4. ►
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"": Hat man für ein beliebiges
,
so gilt insbesondere (beachte:
)
.
Die Ungleichung ist auch für gültig (Vertauschen der Summandenreihenfolge), also für alle .
"": Ist keine Cauchy-Folge, so gibt es ein , derart dass es zu jedem Zahlen und gibt mit
.
Durch die zweistufige Rekursion
mit wird ein streng wachsendes erzeugt, so dass
.
kann also keine Cauchy-Folge sein. Widerspruch!
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[5.10.11] garantiert nun auch bei Doppelfolgen die Eindeutigkeit des Grenzwerts: Hätte nämlich zwei verschiedene Grenzwerte, so z.B. auch die gewöhnliche Folge . Die Konvergenz dürfen wir jetzt also auch so notieren:
Viele Eigenschaften gewöhnlicher Folgen lassen sich direkt aus [5.10.9] bis [5.10.12] ableiten. So etwa die zentralen Grenzwertsätze:
Bemerkung:
1.
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[5.10.13] |
2.
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[5.10.14] |
3.
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[5.10.15] |
4.
, falls
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[5.10.16] |
Beweis: Wir führen beispielhaft nur den Beweis zu 1.: Man hat für jedes streng wachsende :
Also folgt mit dem ersten Grenzwertsatz (siehe [5.6.1]): , d.h. aber:
.
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Aber auch wichtige Konvergenzkriterien können nun mühelos auf Doppelfolgen übertragen werden.
Bemerkung:
1.
konvergent beschränkt
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[5.10.17] |
2.
monoton und beschränkt konvergent
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[5.10.18] |
3.
konvergent Cauchyfolge
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[5.10.19] |
Beweis: Auch hier beweisen wir exemplarisch nur die erste Aussage:
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konvergent |
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konvergent für alle streng wachsenden |
[5.10.11] |
|
beschränkt für alle streng wachsenden |
[5.5.1] |
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beschränkt |
[5.10.9] |
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Die zweidimensionale Struktur der Doppelfolgen erlaubt es, einen weiteren Konvergenzbegriff einzuführen. Mit seiner Hilfe wird die Ermittlung des Limes gemäß [5.10.6] in manchen Fällen erleichtert.
Definition: Wir nennen eine Doppelfolge zeilenkonvergent, wenn für jedes feste die gewöhnliche Folge konvergent ist. Die Zahlen
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[5.10.20] |
heißen Zeilengrenzwerte. Analog richten wir die Begriffe spaltenkonvergent und Spaltengrenzwert ein.
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Beachte:
Der neue und der alte Konvergenzbegriff beschreiben nicht diesselben Verhältnisse:
Die Doppelfolge etwa konvergiert nach Beispiel [5.10.8] gegen 0, sie ist aber weder zeilen- noch spaltenkonvergent. Für (sogar) jedes feste n nämlich belegen die Konvergenzen
dass die Folge zwei verschiedene Häufungspunkte besitzt und somit divergent sein muss. Dies belegt die Zeilendivergenz. Analog zeigt man die Spaltendivergenz.
Die Doppelfolge
ist zeilenkonvergent ( ) und spaltenkonvergent ( ) aber, wie die nächste Bemerkung zeigt, nicht konvergent.
Obwohl - wie gerade gesehen - die beiden Konvergenzbegriffe unverträglich sind, spielen konvergente Doppelfolgen, die gleichzeitig zeilen- und spaltenkonvergent sind, eine wichtige Rolle.
Bei ihnen nämlich darf man die Reihenfolge der Grenzprozesse vertauschen. Man beachte, dass bei der Formulierung der nachfolgenden Bemerkung die Unterscheidung zwischen nicht festen und festen Indizes nicht mehr durch die Verwendung kursiver bzw. nicht nicht-kursiver Schrift unterstützt werden kann.
Bemerkung: sei eine gegen g konvergente Doppelfolge. Dann gilt:
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Ist zeilenkonvergent, so konvergieren die Zeilengrenzwerte gegen g:
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[5.10.21] |
-
Ist spaltenkonvergent, so konvergieren die Spaltengrenzwerte gegen g:
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[5.10.22] |
-
Ist zeilen- und spaltenkonvergent, so ist die doppelte Grenzwertbildung möglich und von der Reihenfolge unabhängig:
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[5.10.23] |
Beweis: Wir zeigen nur 1., denn 2. beweist man analog und 3. ist eine direkte Folgerung aus 1. und 2.
1. ►
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Wir setzen zur Abkürzung und zeigen: . Sei dazu vorgegeben. Da , gibt es ein , so dass für alle gilt:
d.h. aber für diese m: und damit für den Grenzwert
:
Also hat man: .
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Die bisher erzielten Ergebnisse gelten natürlich insbesondere auch für Doppelreihen. Uns interessiert hier vor allem die Aussage [5.10.23], die wir im Zusammenhang mit absolut konvergenten Doppelreihen neu formulieren wollen. Zunächst betrachten wir dazu Doppelreihen mit positiven Gliedern.
Bemerkung: Eine Doppelreihe mit positiven Gliedern ist genau dann konvergent, wenn sie beschränkt ist. In diesem Fall gilt die folgende Abschätzung:
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[5.10.24] |
Beweis: Die Richtung "" steht in [5.10.17].
"": Da alle positiv sind, wächst die Doppelreihe monoton. Die Konvergenz folgt also aus [5.10.18].
Nach [5.10.11] kann man für jedes streng wachsende den Grenzwert gemäß Beweis zu [5.7.1] auch als Supremum der monotonen wachsenden ([5.10.10]) gewöhnlichen Folge berechnen.
Für etwa erhält man daher für alle n, m (mit ):
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Mit diesem Ergebnis gelingt es nun, [5.9.13] auf Doppelreihen zu übertragen.
Bemerkung:
Jede absolut konvergente Doppelreihe ist konvergent.
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[5.10.25] |
Beweis: Da , sind
und Doppelreihen mit positiven Gliedern. Die nach [5.10.24] gültigen Abschätzungen
garantieren (wieder mit [5.10.24]) deren Konvergenz, und damit gemäß [5.10.14] auch die Konvergenz von
.
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Bemerkung: Ist die Reihe beschränkt, so gilt:
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[5.10.26] |
Beweis: Mit sind auch ihre Zeilen- und Spaltenreihen monoton wachsend und beschränkt, also konvergent ([5.10.18] bzw. [5.7.1]). Nach [5.10.25] und [5.9.13] trifft dies auch auf die Reihe zu. Die Behauptung folgt daher aus [5.10.23].
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