9.15. Orthogonalsysteme

Mit der Einrichtung der Winkelmessung in 9.13 eröffnet sich ein weiteres geometrisches Konzept: die Orthogonalität, d.h. die Rechtwinkligkeit.
 

Beachte:

• Für Vektoren ${\displaystyle v,w\ne \mathbf{0}}$ gilt offensichtlich
   
  ${\displaystyle v\perp w\iff \sphericalangle (v,w)=\frac{\pi }{2}}$.
   

Die Orthogonalitätsrelation bietet eine neue Möglichkeit, Untervektorräume zu konstruieren. Wir betrachten zu diesem Zweck das System aller auf einer vorgegebenen Auswahl senkrecht stehenden Vektoren.
 

Definition:  Es sei ${\displaystyle (V,+,\cdot ,\ast )}$ ein euklidischer Vektorraum und ${\displaystyle M\subset V}$. Die Menge   ${\displaystyle M^{\perp }=\{w\in V|w\perp v\text{für alle}v\in M\}}$ das orthogonale Komplement (oder der Senkrechtraum) von M.

 

Beispiel:  ${\displaystyle V^{\perp }=\{\mathbf{0}\}}$, denn:  ${\displaystyle w\perp v\text{für alle}v\iff w=\mathbf{0}}$.   ${\displaystyle {\{\mathbf{0}\}}^{\perp }=V}$, denn für alle ${\displaystyle w\in V}$ gilt:  ${\displaystyle w\perp \mathbf{0}}$.   In ${\displaystyle {ℝ}^2}$ ist ${\displaystyle <\left(\begin{array}{c}1\\ 2\end{array}\right){>}^{\perp }=<\left(\begin{array}{c}-2\\ 1\end{array}\right)>}$, denn:   ${\displaystyle \begin{array}{ll}\hfill \mathit{x}\in <\left(\begin{array}{c}1\\ 2\end{array}\right){>}^{\perp }& \iff \mathit{x}\perp \alpha \left(\begin{array}{c}1\\ 2\end{array}\right)\text{für alle}\alpha \in ℝ\hfill \\ \hfill & \iff \mathit{x}\perp 0\wedge \mathit{x}\perp \alpha \left(\begin{array}{c}1\\ 2\end{array}\right)\text{für alle}\alpha \ne 0\hfill \\ \hfill & \iff \mathit{x}\text{beliebig}\wedge \mathit{x}\perp \left(\begin{array}{c}1\\ 2\end{array}\right)\hfill \\ \hfill & \iff x_1+2x_2=0\hfill \\ \hfill & \iff \mathit{x}=\left(\begin{array}{c}-2x_2\\ x_2\end{array}\right)\in <\left(\begin{array}{c}-2\\ 1\end{array}\right)>.\hfill \end{array}}$   ${\displaystyle <\left(\begin{array}{c}-2\\ 1\end{array}\right)>}$ ist dagegen nicht der Senkrechtraum zu ${\displaystyle \left(\begin{array}{c}3\\ 0\end{array}\right)+<\left(\begin{array}{c}1\\ 2\end{array}\right)>}$, denn aus ${\displaystyle \mathit{x}\perp \left(\begin{array}{c}3\\ 0\end{array}\right)+\alpha \left(\begin{array}{c}1\\ 2\end{array}\right)}$ für alle ${\displaystyle \alpha }$ folgt: ${\displaystyle \begin{array}{ll}\hfill & (3+\alpha )x_1+2\alpha x_2=0\text{für alle}\alpha \hfill \\ \Rightarrow \hfill & 3x_1=0(\text{für}\alpha =0)\wedge 4x_1+2x_2=0(\text{für}\alpha =1)\hfill \\ \Rightarrow \hfill & \mathit{x}=\mathbf{0.}\hfill \end{array}}$   Der Senkrechtraum ist hier also der Nullraum. Zwar steht die rote Gerade senkrecht auf der grauen, aber nicht auf den Vektoren, die diese Gerade ausmachen!   In ${\displaystyle C^0([\mathrm{0,1}])}$ ist ${\displaystyle {\mathbb{P}}^{\perp }\{\mathbf{0}\}}$.   Dazu zeigen wir: Keine stetige Funktion ${\displaystyle f\ne 0}$ steht auf allen Polynomen senkrecht. Dies ergibt sich aus folgender Behauptung:   Zu jedem ${\displaystyle f\in C^0([\mathrm{0,1}]),f\ne 0}$, gibt es ein ${\displaystyle p\in \mathbb{P}}$ mit ${\displaystyle f\ast p>0}$.   Beweis: Da ${\displaystyle f\ne 0}$, hat man zunächst: ${\displaystyle {\left|f\right|}^2>0}$. Des weiteren ist ${\displaystyle f}$ als stetige Funktion auf dem geschlossenen Intervall ${\displaystyle [\mathrm{0,1}]}$ beschränkt, es gibt also ein ${\displaystyle c>0}$, so dass ${\displaystyle \left|f(x)\right|\le c}$ für alle ${\displaystyle x\in [\mathrm{0,1}]}$.   Nach dem Weierstraß'schen Approximationssatz gibt es nun zu ${\displaystyle \epsilon =\frac{{\left|f\right|}^2}{2c}>0}$ ein Polynom ${\displaystyle p\in \mathbb{P}}$, so dass   ${\displaystyle \left|f(x)-p(x)\right|<\epsilon }$ für alle ${\displaystyle x\in [\mathrm{0,1}]}$. Über die Monotonie des Integrals erhält man daraus nun die folgende Abschätzung:   ${\displaystyle \begin{array}{ll}f\ast p\hfill & =f\ast (f-(f-p))\hfill \\ \hfill & =f\ast f-f\ast (f-p)\hfill \\ \hfill & ={\left|f\right|}^2-\underset{0}{\overset{1}{\int }}f\cdot (f-p)\hfill \\ \hfill & \ge {\left|f\right|}^2-\underset{0}{\overset{1}{\int }}\left|f\cdot (f-p)\right|\hfill \\ \hfill & \ge {\left|f\right|}^2-c\epsilon \hfill \\ \hfill & =\frac{{\left|f\right|}^2}{2}>0.\hfill \end{array}}$

 

Bemerkung:  ${\displaystyle (V,+,\cdot ,\ast )}$ sei ein euklidischer Vektorraum, ${\displaystyle M,N\subset V}$. Dann gilt: ${\displaystyle M^{\perp }}$ ist ein Untervektorraum von V. ${\displaystyle M\cap M^{\perp }\subset \{\mathbf{0}\}}$. ${\displaystyle M\subset {(M^{\perp })}^{\perp }}$. ${\displaystyle M\subset N\Rightarrow N^{\perp }\subset M^{\perp }}$. ${\displaystyle M^{\perp }=<M{>}^{\perp }}$. Beweis: Zu 1.:  Es sind die drei charakterisierenden Eigenschaften nachzuprüfen: ${\displaystyle \mathbf{0}\in M^{\perp }}$, denn: ${\displaystyle \mathbf{0}\perp v}$ für alle v, also erst recht für alle ${\displaystyle v\in M}$.   Sei ${\displaystyle u,w\in M^{\perp }}$, d.h. ${\displaystyle u\perp v}$ und ${\displaystyle w\perp v}$ für alle ${\displaystyle v\in M}$. Folgt: ${\displaystyle (u+w)\perp v}$ für alle ${\displaystyle v\in M}$, d.h. ${\displaystyle u+w\in M^{\perp }}$.   Ist ${\displaystyle w\in M^{\perp }}$, also: ${\displaystyle w\perp v}$ für alle ${\displaystyle v\in M}$, so hat man auch ${\displaystyle \alpha w\perp v}$ für alle ${\displaystyle v\in M}$, d.h. ${\displaystyle \alpha w\in M^{\perp }}$. Zu 2.:  Ist ${\displaystyle w\in M\cap M^{\perp }}$, so hat man ${\displaystyle w\perp v}$ für alle ${\displaystyle v\in M}$ (da ${\displaystyle w\in M^{\perp }}$), also insbesondere ${\displaystyle w\perp w}$ (da ${\displaystyle w\in M}$). Folgt: ${\displaystyle w=\mathbf{0}}$. Zu 3.:  Sei ${\displaystyle v\in M}$, d.h. für jedes ${\displaystyle w\in M^{\perp }}$ gilt: ${\displaystyle w\perp v}$. Das bedeutet aber: ${\displaystyle w\in {(M^{\perp })}^{\perp }}$. Zu 4.:  Ist ${\displaystyle M\subset N}$, so hat man für jedes ${\displaystyle w\in N^{\perp }}$: ${\displaystyle w\perp v}$ für alle ${\displaystyle v\in N}$, also erst recht : ${\displaystyle w\perp v}$ für alle ${\displaystyle v\in M}$. Also gilt: ${\displaystyle w\in M^{\perp }}$. Zu 5.:  Da ${\displaystyle M\subset <M>}$, hat man nach 4. bereits: ${\displaystyle M^{\perp }\supset <M{>}^{\perp }}$. Bleibt zu zeigen: ${\displaystyle M^{\perp }\subset <M{>}^{\perp }}$. Sei dazu ${\displaystyle w\in M^{\perp }}$ vorgegeben, also: ${\displaystyle w\perp v}$ für alle ${\displaystyle v\in M}$. Nach 5. und 6. der ersten Bemerkung steht w dann auch senkrecht auf allen Linearkombinationen von Elementen aus M. Das bedeutet: ${\displaystyle w\in <M{>}^{\perp }}$.

Beachte:

• I.a. kann man 3. nicht verschärfen zu ${\displaystyle M={(M^{\perp })}^{\perp }}$.
  So gilt etwa in ${\displaystyle C^0([\mathrm{0,1}])}$ nach dem vorherigen Beispiel: ${\displaystyle {\mathbb{P}}^{\perp }=\{\mathbf{0}\}}$. Folgt: ${\displaystyle {({\mathbb{P}}^{\perp })}^{\perp }={\{\mathbf{0}\}}^{\perp }=C^0([\mathrm{0,1}])\ne \mathbb{P}}$.
  (Man beachte aber die Ergebnisse am Ende des Abschnitts!)
   
• I.a. läßt sich 4. nicht zur Äquivalenz ${\displaystyle M\subset N\iff N^{\perp }\subset M^{\perp }}$ verallgemeinern.
  Z.B. ist in ${\displaystyle {ℝ}^2}$ sicherlich ${\displaystyle {\{{\mathit{e}}_1\}}^{\perp }\subset <{\mathit{e}}_1{>}^{\perp }}$, aber es gilt nicht: ${\displaystyle <{\mathit{e}}_1>\subset \{{\mathit{e}}_1\}}$.
   

Die Ermittlung von Senkrechträumen ist i.a. eine schwierige Aufgabe. Für Erzeugnisse im ${\displaystyle {ℝ}^n}$ steht uns jedoch ein bekanntes Verfahren zur Verfügung.

 

Definition:  Es sei (${\displaystyle (V,+,\cdot ,\ast )}$ ein euklidischer Vektorraum. Eine Teilmenge ${\displaystyle O\subset V}$ heißt orthonormal bzw. ein Orthonormalsystem (ON-System), falls   ${\displaystyle v\ast w=\{\begin{array}{l}\mathrm{1,}\text{falls}v=w\hfill \\ \mathrm{0,}\text{falls}v\ne w\hfill \end{array}\text{für alle}v,w\in O}$.   Ist O zusätzlich eine Basis von V, so nennt man O eine Orthonormalbasis (ON-Basis) von V.

Beachte:

• Ein ON-System besteht aus Vektoren der Länge 1, die paarweise aufeinander senkrecht stehen.
   
• Ist ${\displaystyle O=\{n_1,\dots ,n_k\}}$ endlich, so sagen wir auch: die Sequenz ${\displaystyle n_1,\dots ,n_k}$ ist eine orthonormale Sequenz (ON-Sequenz) in V. In diesem Fall hat man also:
   
  ${\displaystyle n_1,\dots ,n_k\text{ist orthonormal}\iff n_i\ast n_j={\delta }_{ij}=\{\begin{array}{l}\mathrm{1,}\text{falls}i=j\hfill \\ \mathrm{0,}\text{falls}i\ne j\hfill \end{array}}$
   

   

ON-Systeme bzw. ON-Basen erweisen sich als äußerst günstig, wenn es um die Errechnung von Linearkombinationen geht: Die nötigen Koeffizienten lassen sich über das Skalarprodukt bequem ermitteln. Die folgende Bemerkung beschreibt dies genauer.
 

Bemerkung:  ${\displaystyle n_1,\dots ,n_k}$ sei eine ON-Sequenz in V. Dann gilt für alle ${\displaystyle v\in <n_1,\dots ,n_k>}$:   ${\displaystyle v={\alpha }_1{n}_1+\dots +{\alpha }_k{n}_k\iff {\alpha }_i=v\ast n_i\text{für alle}i\le k}$. Beweis:   "${\displaystyle \Rightarrow }$":  ${\displaystyle v\ast n_i={\alpha }_1(n_1\ast n_i)+\dots +{\alpha }_k(n_k\ast n_i)={\alpha }_1({\delta }_{1i})+\dots +{\alpha }_k({\delta }_{ki})={\alpha }_i}$. "${\displaystyle \Leftarrow }$":  Zunächst gibt es überhaupt eine Darstellung von v in ${\displaystyle <n_1,\dots ,n_k>}$, etwa ${\displaystyle v={\beta }_1{n}_1+\dots +{\beta }_k{n}_k}$. Nach dem gerade Bewiesenen ist dann ${\displaystyle {\beta }_i=v\ast n_i}$. Ist nun ${\displaystyle {\alpha }_i=v\ast n_i}$, hat man ${\displaystyle {\alpha }_i={\beta }_i}$. Also ist:   ${\displaystyle v={\alpha }_1{n}_1+\dots +{\alpha }_k{n}_k}$.

Eine erste Folgerung stellt einen Zusammenhang zur linearen Unabhängigkeit fest: Orthonormale Sequenzen sind stets linear unabhängig.
 

Bemerkung:  ${\displaystyle n_1,\dots ,n_k}$ sei orthonormal in V, dann gilt: ${\displaystyle n_1,\dots ,n_k}$ ist linear unabhängig in V. ${\displaystyle n_1,\dots ,n_k}$ ist eine ON-Basis von ${\displaystyle <n_1,\dots ,n_k>}$. Beweis:  Zu 1.:  Ist ${\displaystyle {\alpha }_1{n}_1+\dots +{\alpha }_k{n}_k=\mathbf{0}}$, so ist ${\displaystyle {\alpha }_i=\mathbf{0}\ast n_i=0}$. Zu 2.:  Ergibt sich direkt aus1.

Beachte:

• Ist V endlich, so gilt für Sequenzen der Länge ${\displaystyle n=\dim V}$:

 
Weitere interessante Eigenschaften haben ON-Systeme in Bezug das Skalarprodukt und die damit gegebenen geometrischen Verhältnisse.

Eine besondere Rolle spielen orthonormale Sequenzen auch im Zusammenhang mit linearen Gleichungssystemen und Matrizen:
 

Bemerkung:  Es sei ${\displaystyle \left(a_{ij}\right)}$ eine ${\displaystyle n\times m}$ - Matrix. Bilden die Spaltenvektoren von ${\displaystyle \left(a_{ij}\right)}$ eine orthonormale Sequenz, so ist   ${\displaystyle Ker\left({\mathit{a}}_{·1}\dots {\mathit{a}}_{·m}\right)=\left\{\mathbf{0}\right\}}$.   Für jedes ${\displaystyle \mathit{b}\in \mathit{Im}\left(a_{ij}\right)}$ ist das lineare Gleichungssystem ${\displaystyle \left(a_{ij}\right)\mathit{x}=\mathit{b}}$ eindeutig lösbar; genauer:   ${\displaystyle \left(a_{ij}\right)\mathit{x}=\mathit{b}\iff x_j=\mathit{b}·{\mathit{a}}_{·j}}$.   Bilden die Zeilenvektoren von ${\displaystyle \left(a_{ij}\right)}$ eine orthonormale Sequenz, so gilt für alle ${\displaystyle \mathit{x}\in <{\mathit{a}}_{1·}\dots {\mathit{a}}_{n·}>}$ mit Koordinatenvektor ${\displaystyle \mathit{\alpha }}$:   ${\displaystyle \left(\begin{array}{c}{\mathit{a}}_{1·}\\ ⋮\\ {\mathit{a}}_{n·}\end{array}\right)\mathit{x}=\mathit{\alpha }}$.   ${\displaystyle |\left(\begin{array}{c}{\mathit{a}}_{1·}\\ ⋮\\ {\mathit{a}}_{n·}\end{array}\right)\mathit{x}|=\left|\mathit{x}\right|}$.   Beweis: Zu 1.:  Als orthonormale Sequenz ist ${\displaystyle a_{·1},\dots ,a_{·m}}$ linear unabhängig. Nach einer Bemerkung in 9.4. ist daher ${\displaystyle Ker\left({\mathit{a}}_{·1}\dots {\mathit{a}}_{·m}\right)=\left\{\mathbf{0}\right\}}$. Zu 2.:  Für ${\displaystyle \mathit{b}\in \mathit{Im}\left(a_{ij}\right)=<{\mathit{a}}_{·1},\dots ,{\mathit{a}}_{·m}>}$ nutzen wir die Möglichkeit, bei orthonormalen Sequenzen die Koeffizienten einer Linearkombination durch das Skalarprodukt ausrechnen zu können:   ${\displaystyle \begin{array}{ll}\hfill & \left(a_{ij}\right)\mathit{x}=\mathit{b}\hfill \\ \iff \hfill & x_1{\mathit{a}}_{·1}+\dots +x_m{\mathit{a}}_{·m}=\mathit{b}\hfill \\ \iff \hfill & x_j=\mathit{b}·{\mathit{a}}_{·j}.\hfill \end{array}}$   Zu 3.:  Man hat wieder: ${\displaystyle {\alpha }_i=\mathit{x}·{\mathit{a}}_{i·}}$. Dies ist aber bereits die Behauptung, denn: ${\displaystyle \left(\begin{array}{c}{\mathit{a}}_{1·}\\ ⋮\\ {\mathit{a}}_{n·}\end{array}\right)\mathit{x}=\left(\begin{array}{c}{\mathit{a}}_{1·}·\mathit{x}\\ ⋮\\ {\mathit{a}}_{n·}·\mathit{x}\end{array}\right)}$ . Zu 4.:  Wegen ${\displaystyle \left|\mathit{x}\right|=\left|\mathit{\alpha }\right|}$ ergibt sich 4. direkt aus 3.

Beachte:

• 1. bedeutet:  Matrizen mit orthonormalen Spalten sind regulär.
   
• 4. bedeutet:  Matrizen mit orthonormalen Zeilen operieren auf dem Erzeugnis der Zeilen längentreu.
   
• Die Bedingung ${\displaystyle \mathit{b}\in \mathit{Im}\left(a_{ij}\right)}$ in 2. ist unverzichtbar. So ist z.B. für die ON-Sequenz ${\displaystyle {\mathit{e}}_1,{\mathit{e}}_2}$ des ${\displaystyle {ℝ}^3}$ die Aussage
   
  ${\displaystyle \begin{array}{ll}\left({\mathit{e}}_1{\mathit{e}}_2\right)\mathit{x}={\mathit{e}}_3\hfill & \iff x_1={\mathit{e}}_3·{\mathit{e}}_1\wedge x_2={\mathit{e}}_3·{\mathit{e}}_2\hfill \\ \hfill & \iff \mathit{x}=\mathbf{0}\hfill \end{array}}$
  
  offensichtlich falsch. Es ist aber auch:${\displaystyle {\mathit{e}}_3\notin <{\mathit{e}}_1,{\mathit{e}}_2>}$!

  Für ein ${\displaystyle \mathit{b}\in \mathit{Im}\left(a_{ij}\right)}$ allerdings stellt 2. eine bequeme Möglichkeit dar, ein Gleichungssystem zu lösen. So hat man etwa für die ON-Basis ${\displaystyle \left(\begin{array}{c}\raisebox{1ex}{$1$}\!\left/ \!\raisebox{-1ex}{$2$}\right.\\ \raisebox{1ex}{$\sqrt{3}$}\!\left/ \!\raisebox{-1ex}{$2$}\right.\end{array}\right),\left(\begin{array}{c}\raisebox{1ex}{$\sqrt{3}$}\!\left/ \!\raisebox{-1ex}{$2$}\right.\\ -\raisebox{1ex}{$1$}\!\left/ \!\raisebox{-1ex}{$2$}\right.\end{array}\right)}$ des ${\displaystyle {ℝ}^2}$:
   

  ${\displaystyle \begin{array}{ll}\left(\begin{array}{cc}\raisebox{1ex}{$1$}\!\left/ \!\raisebox{-1ex}{$2$}\right.& \raisebox{1ex}{$\sqrt{3}$}\!\left/ \!\raisebox{-1ex}{$2$}\right.\\ \raisebox{1ex}{$\sqrt{3}$}\!\left/ \!\raisebox{-1ex}{$2$}\right.& -\raisebox{1ex}{$1$}\!\left/ \!\raisebox{-1ex}{$2$}\right.\end{array}\right)\mathit{x}=\left(\begin{array}{c}2\\ \sqrt{3}\end{array}\right)\hfill & \iff x_1=\left(\begin{array}{c}2\\ \sqrt{3}\end{array}\right)·\left(\begin{array}{c}\raisebox{1ex}{$1$}\!\left/ \!\raisebox{-1ex}{$2$}\right.\\ \raisebox{1ex}{$\sqrt{3}$}\!\left/ \!\raisebox{-1ex}{$2$}\right.\end{array}\right)\wedge x_2=\left(\begin{array}{c}2\\ \sqrt{3}\end{array}\right)·\left(\begin{array}{c}\raisebox{1ex}{$\sqrt{3}$}\!\left/ \!\raisebox{-1ex}{$2$}\right.\\ -\raisebox{1ex}{$1$}\!\left/ \!\raisebox{-1ex}{$2$}\right.\end{array}\right)\hfill \\ \hfill & \iff \mathit{x}=\left(\begin{array}{c}\raisebox{1ex}{$5$}\!\left/ \!\raisebox{-1ex}{$2$}\right.\\ \raisebox{1ex}{$\sqrt{3}$}\!\left/ \!\raisebox{-1ex}{$2$}\right.\end{array}\right).\hfill \end{array}}$

Waren wir bisher "nur" in der Lage, gegebene Sequenzen auf Orthogonalität zu übersprüfen, so liefert der folgende Satz nun eine Methode, orthogonale Sequenzen gezielt herzustellen.
 

Satz (Gram-Schmidt Orthonormalisierungsverfahren):  Es sei ${\displaystyle (V,+,\cdot ,\ast )}$ ein euklidischer Vektorraum, ${\displaystyle n\in {\mathbb{N}}^{\ast }}$.  Dann gilt: Zu jeder linear unabhängigen Sequenz ${\displaystyle v_1,\dots ,v_n}$ lässt sich eine orthonormale Sequenz ${\displaystyle n_1,\dots ,n_n}$ konstruieren, so dass   ${\displaystyle <n_1,\dots ,n_k>=<v_1,\dots ,v_k>}$ für alle ${\displaystyle k\le n}$. Dabei respektiert der Konstruktionsprozess eine bereits bestehende Orthonormalität: Ist für ein k die Teilsequenz ${\displaystyle v_1,\dots ,v_k}$ bereits orthonormal, so gilt: ${\displaystyle n_i=v_i}$ für alle ${\displaystyle i\le k}$. Beweis per Induktion über n. Die Zusatzaussage wird parallel in der rechten Spalte mitbewiesen. ${\displaystyle \underset{¯}{n=1:}}$  Sei ${\displaystyle v_1}$ linear unabhängig; insbesondere ist ${\displaystyle v_1\ne \mathbf{0}}$. Setzt man nun   ${\displaystyle n_1=v_1°}$, so ist ${\displaystyle n_1}$ eine ON-Sequenz mit ${\displaystyle <n_1>=<v_1>}$ .           Falls ${\displaystyle \left|v_1\right|=1}$, ist offenbar ${\displaystyle n_1=v_1}$. ${\displaystyle \underset{¯}{n\Rightarrow n+1:}}$  Sei nun ${\displaystyle v_1,\dots ,v_{n+1}}$ eine linear unabhängige Sequenz. Also ist auch ${\displaystyle v_1,\dots ,v_n}$ linear unabhängig, so dass es nach Induktionsvoraussetzung eine ON-Sequenz ${\displaystyle n_1,\dots ,n_n}$ gibt mit   ${\displaystyle <n_1,\dots ,n_k>=<v_1,\dots ,v_k>}$ für alle ${\displaystyle k\le n}$. Wir setzen   ${\displaystyle n\text{'}=v_{n+1}-(v_{n+1}\ast n_1)\cdot n_1-\dots -(v_{n+1}\ast n_n)\cdot n_n}$ und berechnen für ${\displaystyle j\le n}$:   ${\displaystyle \begin{array}{ll}n\text{'}\ast n_j\hfill & =v_{n+1}\ast n_j-(v_{n+1}\ast n_1)\cdot (n_1\ast n_j)-\dots -(v_{n+1}\ast n_n)\cdot (n_n\ast n_j)\hfill \\ \hfill & =v_{n+1}\ast n_j-(v_{n+1}\ast n_j)\cdot (n_j\ast n_j)\hfill \\ \hfill & =v_{n+1}\ast n_j-v_{n+1}\ast n_j\hfill \\ \hfill & =0.\hfill \end{array}}$ Weil nun ${\displaystyle v_{n+1}\notin <v_1,\dots ,v_n>=<n_1,\dots ,n_n>}$, hat man: ${\displaystyle n\text{'}\ne \mathbf{0}}$. Setzt man jetzt   ${\displaystyle n_{n+1}=n\text{'}°}$, so ist zunächst ${\displaystyle n_1,\dots ,n_{n+1}}$ eine ON-Sequenz. Die Information ${\displaystyle n_{n+1}-v_{n+1}\in <n_1,\dots ,n_n>=<v_1,\dots ,v_n>}$ deuten wir zweifach: ${\displaystyle \begin{array}{l}{n}_{n+1}\in <v_1,\dots ,v_n,v_{n+1}>\hfill \\ v_{n+1}\in <n_1,\dots ,n_n,n_{n+1}>\hfill \end{array}}$ und leiten daraus ab:   ${\displaystyle \begin{array}{l}<n_1,\dots ,n_n,n_{n+1}>\subset <v_1,\dots ,v_n,v_{n+1}>\subset <n_1,\dots ,n_n,n_{n+1}>\hfill \end{array}}$. Also gilt mit der Induktionsvoraussetzung:   ${\displaystyle \begin{array}{l}<n_1,\dots ,n_k>=<v_1,\dots ,v_k>\hfill \end{array}}$ für alle ${\displaystyle k\le n+1}$.     Sei jetzt eine Teilsequenz ${\displaystyle v_1,\dots ,v_k}$ von ${\displaystyle v_1,\dots ,v_{n+1}}$ bereits orthonormal. Falls ${\displaystyle k\le n}$, ist nichts zu zeigen. Es reicht daher, nur den Fall ${\displaystyle k=n+1}$ zu betrachten: ${\displaystyle v_1,\dots ,v_{n+1}}$ ist bereits orthonormal. Damit ist auch ${\displaystyle v_1,\dots ,v_n}$ eine ON-Sequenz. Nach Induktionsvoraussetzung gilt daher:   ${\displaystyle n_i=v_i}$ für alle ${\displaystyle i\le n}$. Also hat man:   ${\displaystyle n\text{'}=v_{n+1}-\sum _{i=1}^n\underset{=0}{\underbrace{(v_{n+1}\ast v_i)}}\cdot v_i=v_{n+1}}$ und damit: ${\displaystyle n_{n+1}=v_{n+1}°=v_{n+1}}$.

 

Beispiel:  Wir orthonormalisieren in ${\displaystyle {ℝ}^3}$ die linear unabhängige Sequenz ${\displaystyle \left(\begin{array}{c}0\\ 0\\ 2\end{array}\right),\left(\begin{array}{c}1\\ 1\\ 1\end{array}\right),\left(\begin{array}{c}1\\ 3\\ 2\end{array}\right)}$. Dabei benutzen wir die Konstruktionen aus dem Induktionsbeweis und errechen die Vektoren n1,n2,n3 der Reihe nach: 1.:  ${\displaystyle {\mathit{n}}_1={\left(\begin{array}{c}0\\ 0\\ 2\end{array}\right)}^{°}=\frac{1}{2}\left(\begin{array}{c}0\\ 0\\ 2\end{array}\right)=\left(\begin{array}{c}0\\ 0\\ 1\end{array}\right)}$. 2.:  ${\displaystyle \mathit{n}\text{'}=\left(\begin{array}{c}1\\ 1\\ 1\end{array}\right)-(\left(\begin{array}{c}1\\ 1\\ 1\end{array}\right)·{\mathit{n}}_1){\mathit{n}}_1=\left(\begin{array}{c}1\\ 1\\ 1\end{array}\right)-1\left(\begin{array}{c}0\\ 0\\ 1\end{array}\right)=\left(\begin{array}{c}1\\ 1\\ 0\end{array}\right)}$, also:  ${\displaystyle {\mathit{n}}_2={\left(\begin{array}{c}1\\ 1\\ 0\end{array}\right)}^{°}=\left(\begin{array}{c}\raisebox{1ex}{$1$}\!\left/ \!\raisebox{-1ex}{$\sqrt{2}$}\right.\\ \raisebox{1ex}{$1$}\!\left/ \!\raisebox{-1ex}{$\sqrt{2}$}\right.\\ 0\end{array}\right)}$. 3.:  ${\displaystyle \mathit{n}\text{'}=\left(\begin{array}{c}1\\ 3\\ 2\end{array}\right)-(\left(\begin{array}{c}1\\ 3\\ 2\end{array}\right)·{\mathit{n}}_1){\mathit{n}}_1-(\left(\begin{array}{c}1\\ 3\\ 2\end{array}\right)·{\mathit{n}}_2){\mathit{n}}_2=\left(\begin{array}{c}1\\ 3\\ 2\end{array}\right)-2\left(\begin{array}{c}0\\ 0\\ 1\end{array}\right)-\frac{4}{\sqrt{2}}\left(\begin{array}{c}\raisebox{1ex}{$1$}\!\left/ \!\raisebox{-1ex}{$\sqrt{2}$}\right.\\ \raisebox{1ex}{$1$}\!\left/ \!\raisebox{-1ex}{$\sqrt{2}$}\right.\\ 0\end{array}\right)=\left(\begin{array}{c}-1\\ 1\\ 0\end{array}\right)}$, also  ${\displaystyle {\mathit{n}}_3={\left(\begin{array}{c}-1\\ 1\\ 0\end{array}\right)}^{°}=\left(\begin{array}{c}-\raisebox{1ex}{$1$}\!\left/ \!\raisebox{-1ex}{$\sqrt{2}$}\right.\\ \raisebox{1ex}{$1$}\!\left/ \!\raisebox{-1ex}{$\sqrt{2}$}\right.\\ 0\end{array}\right)}$.

 

Beispiel:  In ${\displaystyle C^0([\mathrm{0,1}])}$ orthonormalisieren wir die linear unabhängige Sequenz ${\displaystyle \mathrm{1,}\mathrm{X},{\mathrm{X}}^2}$: 1.:  ${\displaystyle {\left|1\right|}^2=\underset{0}{\overset{1}{\int }}{1}^2=1}$, also  ${\displaystyle n_1=1}$. 2.:  Mit ${\displaystyle \mathrm{X}\ast 1=\underset{0}{\overset{1}{\int }}\mathrm{X}\cdot 1=\frac{1}{2}}$ errechnet man zunächst: ${\displaystyle n\text{'}=\mathrm{X}-(\mathrm{X}\ast 1)1=\mathrm{X}-\frac{1}{2}}$. Das Längenquadrat ${\displaystyle {\left|n\text{'}\right|}^2=\underset{0}{\overset{1}{\int }}{(\mathrm{X}-\frac{1}{2})}^2=\frac{1}{12}}$ ergibt schließlich: ${\displaystyle n_2=\sqrt{12}(\mathrm{X}-\frac{1}{2})=2\sqrt{3}\mathrm{X}-\sqrt{3}}$. 3.:  Über ${\displaystyle {\mathrm{X}}^2\ast 1=\underset{0}{\overset{1}{\int }}{\mathrm{X}}^2\cdot 1=\frac{1}{3}}$  und  ${\displaystyle {\mathrm{X}}^2\ast (2\sqrt{3}\mathrm{X}-\sqrt{3})=2\sqrt{3}\underset{0}{\overset{1}{\int }}{\mathrm{X}}^3-\sqrt{3}\underset{0}{\overset{1}{\int }}{\mathrm{X}}^2=\frac{\sqrt{3}}{6}}$ ergibt sich zunächst wieder: ${\displaystyle n\text{'}={\mathrm{X}}^2-({\mathrm{X}}^2\ast 1)1-({\mathrm{X}}^2\ast (2\sqrt{3}\mathrm{X}-\sqrt{3}))(2\sqrt{3}\mathrm{X}-\sqrt{3})={\mathrm{X}}^2-\frac{1}{3}-\mathrm{X}+\frac{1}{2}={\mathrm{X}}^2-\mathrm{X}+\frac{1}{6}}$. Wir errechnen noch einmal ein Längenquadrat: ${\displaystyle {\left|n\text{'}\right|}^2=\underset{0}{\overset{1}{\int }}({\mathrm{X}}^2-\mathrm{X}+\frac{1}{6})=\frac{1}{180}}$, und erhalten daraus: ${\displaystyle n_3=\sqrt{180}({\mathrm{X}}^2-\mathrm{X}+\frac{1}{6})=6\sqrt{5}{\mathrm{X}}^2-6\sqrt{5}\mathrm{X}+\sqrt{5}}$.

Für endliche, euklidische Vektorräume ergeben sich aus dem Gram-Schmidt Verfahren wichtige Folgerungen:
 

Bemerkung:   Jeder endliche, euklidische Vektorraum V besitzt eine ON-Basis.   In einem endlichen, euklidischen Vektorraum V lässt sich jede orthonormale Sequenz ${\displaystyle n_1,\dots ,n_m}$ zu einer ON-Basis ergänzen. Beweis: Zu 1.:  Zunächst besitzt V - wie jeder Vektorraum - eine Basis, etwa ${\displaystyle v_1,\dots ,v_n}$. Die orthonormalisierte Sequenz ${\displaystyle n_1,\dots ,n_n}$ ist dann eine ON-Basis, denn ${\displaystyle <n_1,\dots ,n_n>=<v_1,\dots ,v_n>=V}$. Zu 2.:  Als orthonormale Sequenz ist ${\displaystyle n_1,\dots ,n_m}$ insbesondere linear unabhängig, lässt sich also nach Basisergänzungssatz zu einer Basis ${\displaystyle n_1,\dots ,n_m,v_{m+1},\dots ,v_n}$ ergänzen und anschließend, wie in 1., in eine ON-Basis umschreiben. Dabei garantiert das Orthonormalisierungverfahren, dass die Vektoren ${\displaystyle n_1,\dots ,n_m}$ unverändert bleiben.

 

Bemerkung:  Es sei ${\displaystyle n_1,\dots ,n_n}$ eine ON-Basis von V, dann gilt für jedes ${\displaystyle m\in \{\mathrm{0,}\dots ,n\}}$:   ${\displaystyle <n_1,\dots ,n_m{>}^{\perp }=<n_{m+1},\dots ,n_n>}$. Beweis: O.E. ${\displaystyle 0<m<n}$. Ferner reicht es zu zeigen: ${\displaystyle {\{n_1,\dots ,n_m\}}^{\perp }=<n_{m+1},\dots ,n_n>}$. Da ${\displaystyle n_i\ast n_j=0}$ für ${\displaystyle i\le m<j}$, hat man zunächst: ${\displaystyle n_{m+1},\dots ,n_n\in {\{n_1,\dots ,n_m\}}^{\perp }}$ und damit: ${\displaystyle <n_{m+1},\dots ,n_n>\subset {\{n_1,\dots ,n_m\}}^{\perp }}$. Sei nun ${\displaystyle v\in {\{n_1,\dots ,n_m\}}^{\perp }}$, also ${\displaystyle v\ast n_i=0}$ für ${\displaystyle i\le m}$. Da ${\displaystyle n_1,\dots ,n_n}$ ist eine ON-Basis ist, hat man für v die folgende Darstellung: ${\displaystyle \begin{array}{ll}v\hfill & =(v\ast n_1)n_1+\dots +(v\ast n_m)n_m+(v\ast n_{m+1})n_{m+1}+\dots +(v\ast n_n)n_n\hfill \\ \hfill & =(v\ast n_{m+1})n_{m+1}+\dots +(v\ast n_n)n_n\hfill \\ \hfill & \in <n_{m+1},\dots ,n_n>.\hfill \end{array}}$

 

Bemerkung:  Es sei ${\displaystyle (V,+,\cdot ,\ast )}$ ein endlicher, euklidischer Vektorraum, ${\displaystyle W\subset V}$ ein Untervektorraum. Dann gilt: ${\displaystyle W\cap W^{\perp }=\{\mathbf{0}\}}$. Zu jedem ${\displaystyle v\in V}$ gibt es genau zwei Vektoren ${\displaystyle v\text{'}\in W,v"\in W^{\perp }}$, so dass ${\displaystyle v=v\text{'}+v"}$. Beweis: Zu 1.:  Man weiß bereits: ${\displaystyle W\cap W^{\perp }\subset \{\mathbf{0}\}}$. Da aber ${\displaystyle W}$ und ${\displaystyle W^{\perp }}$ Untervektorräume sind, enthalten sie den Nullvektor. Also gilt auch: ${\displaystyle \{\mathbf{0}\}\subset W\cap W^{\perp }}$. Zu 2.:  Mit V ist auch W ein endlicher, euklidischer Vektorraum. W besitzt somit eine ON-Basis ${\displaystyle n_1,\dots ,n_m}$, die wir zu einer ON-Basis ${\displaystyle n_1,\dots ,n_m,n_{m+1},\dots ,n_n}$ von V ergänzen. Nach der Bemerkung zuvor ist   ${\displaystyle W^{\perp }=<n_1,\dots ,n_m{>}^{\perp }=<n_{m+1},\dots ,n_n>}$, so dass die Vektoren   ${\displaystyle \begin{array}{l}v\text{'}=(v\ast n_1)n_1+\dots +(v\ast n_m)n_m\in W\hfill \\ v"=(v\ast n_{m+1})n_{m+1}+\dots +(v\ast n_n)n_n\in W^{\perp }\hfill \end{array}}$ eine eindeutige Zerlegung von v darstellen: ${\displaystyle v=v\text{'}+v"}$.

Beachte:

• Liegt die in der Bemerkung gegebene Situation vor, so sagt man V ist die direkte Summe von ${\displaystyle W}$ und ${\displaystyle W^{\perp }}$, in Zeichen:
   
  ${\displaystyle V=W\oplus W^{\perp }}$.
  
   
• Die Zerlegung ${\displaystyle V=W\oplus W^{\perp }}$ ist i.a. nicht gegeben. In ${\displaystyle C^0([\mathrm{0,1}])}$ etwa weiß man: ${\displaystyle {\mathbb{P}}^{\perp }=\{\mathbf{0}\}}$. Folgt: ${\displaystyle \mathbb{P}\oplus {\mathbb{P}}^{\perp }=\mathbb{P}\ne C^0([\mathrm{0,1}])}$.
   

Ergänzend zur Aussage ${\displaystyle M\subset {(M^{\perp })}^{\perp }}$ lässt sich nun für endliche Vektorräume genau beschreiben, in welchen Fällen diese Teilmengenbeziehung zu einer Gleichheit erweitert werden kann:
 

Bemerkung:  Es sei ${\displaystyle (V,+,\cdot ,\ast )}$ ein endlicher, euklidischer Vektorraum, dann gilt:   ${\displaystyle M={(M^{\perp })}^{\perp }\iff M}$ist ein Untervektorraum. Beweis: "${\displaystyle \Rightarrow }$":  Hier ist nichts zu zeigen, denn ${\displaystyle {(M^{\perp })}^{\perp }}$ ist als orthogonales Komplement ein Untervektorraum. "${\displaystyle \Leftarrow }$":  Da die Inklusion ${\displaystyle M\subset {(M^{\perp })}^{\perp }}$ stets erfüllt ist, reicht es zu zeigen: ${\displaystyle M\supset {(M^{\perp })}^{\perp }}$. Sei dazu${\displaystyle v\in {(M^{\perp })}^{\perp }}$ vorgegeben. Ist nun M ein Untervektorraum, so ist ${\displaystyle V=M\oplus M^{\perp }}$. Es gibt also eine Zerlegung ${\displaystyle v=v\text{'}+v"}$ mit ${\displaystyle v\text{'}\in M}$, ${\displaystyle v"\in M^{\perp }}$. Man hat also insbesondere: ${\displaystyle v\perp v"}$ und ${\displaystyle v"\perp v\text{'}}$. Daher gilt:   ${\displaystyle 0=v\ast v"=v\text{'}\ast v"+v"\ast v"=v"\ast v"}$. Also ist ${\displaystyle v"=\mathbf{0}}$ und somit ${\displaystyle v=v\text{'}\in M}$.

9.14

9.16.