6.7. Der Weierstraßsche Approximationssatz
Bereits im Abschnitt 4.5. haben wir die Lagrangeschen Interpolationspolynome eingesetzt, um vorgegebene Punkte der Zeichenebene durch ein Polynom zu verbinden. Allerdings lag der Hauptaspekt dort auf der Forderung, endlich viele Ausgangswerte exakt zu treffen. Sind diese Punkte etwa Bestandteil einer vorgegebenen Funktion, so ist ungewiss, wie gut das Interpolationspolynom auch die anderen Funktionswerte trifft.
In diesem Abschnitt wird sich nun zeigen, dass Polynome in der Lage sind, jede stetige Funktion auf einem abgeschlossenen Intervall beliebig genau nachzuzeichnen. Zwar bewies K. Weierstraß dieses Approximationsverhalten bereits 1886, der hier vorgestellte konstruktive Beweis von S. N. Bernstein jedoch stammt erst aus dem Jahr 1912.
Satz (Weierstraßscher Approximationssatz): Ist , so gibt es zu jedem ein Polynom p, so dass
|
[6.7.1] |
|
Wir betrachten zunächst nur das Intervall und führen in dieser Situation den eigentlichen Beweis. Dazu konstruieren wir eine Polynomfolge , die auf gleichmäßig gegen f konvergiert, eine Folge also, bei der es zu jedem ein gibt, so dass
|
[6.7.2] |
Das Polynom etwa erfüllt dann offensichtlich den Satz von Weierstraß.
Wir stellen zunächst die approximierenden Polynome vor. Bei ihrer Konstruktion benötigen wir die Binomialkoeffizienten .
Definition: Es sei irgendeine Funktion und . Das Polynom
|
[6.7.3] |
nennen wir das n-te Bernsteinpolynom von f.
|
Die ersten Bernsteinpolynome für eine beliebige Funktion f sind leicht zu ermitteln:
-
Für die Funktion etwa errechnet man und .
Den Beweis zu [6.7.2] bereiten wir mit einigen Hilfsaussagen vor. Dabei spielt das allgemeine Binomialtheorem
eine wichtige Rolle.
Bemerkung: Für alle und gilt
-
|
[6.7.4] |
-
|
[6.7.5] |
-
|
[6.7.6] |
-
|
[6.7.7] |
-
|
[6.7.8] |
Beweis:
1. ► Die Behauptung ergibt sich direkt aus dem allgemeinen Binomialtheorem:
2. ► Für ist i.w. nichts zu zeigen. Ist , so können wir [6.7.4] für formulieren und damit folgendermaßen rechnen (man beachte die dabei durchgeführte Indexverschiebung):
3. ► Wir gehen ähnlich wie gerade vor, wobei nur der Fall nicht trivial ist:
4. ► Wir fügen [6.7.5] und [6.7.6] zusammen:
5. ► Zunächst gilt für alle x: . Also hat man
Mit dieser Abschätzung und den bisherigen Ergebnissen erhalten wir jetzt:
|
Nach diesen Vorbereitungen beweisen wir nun den Weierstraßschen Approximationssatz in der Form [6.7.2]. Sei dazu und gegeben. Wir müssen ein finden, so dass
Wir setzen zur Abkürzung (beachte: f ist gemäß [6.6.4] auf beschränkt). Da f auf gleichmäßig stetig ist (siehe [6.5.5]), gibt es ein , so dass
[1]
Mit (beachte [6.7.4]) erhält man über die Dreiecksungleichung für jedes n die Abschätzung
[2]
Für ein festes x teilen wir nun die dabei auftretenden Summenden in zwei Gruppen auf:
Für ist gemäß [1] , so dass man (für ) folgendermaßen abschätzen kann (für gilt [3] natürlich auch, denn die leere Summe hat ja den Wert 0):
[3]
Ist , so hat man . Mit [6.7.8] gelingt daher die folgende Abschätzung:
[4]
Wählt man nun ein , so läßt sich die Abschätzung [2] für gemäß [3] und [4] erweitern zu:
Damit ist der Satz von Weierstraß für das Intervall bewiesen. Von diesem Spezialfall befreien wir uns nun durch die folgende Überlegung:
Ist ein beliebiges Intervall, so betrachte man die lineare (und damit auch stetige) Funktion . Sie bildet das Intervall bijektiv auf das Intervall ab. Ist nun , so ist . Zu vorgegebenem gibt es daher nach dem schon bewiesenen Spezialfall ein Polynom p, so dass
[5]
Die Umkehrfunktion von g ist linear, also wieder ein Polynom. Da und gleichwertig sind, können wir [5] umschreiben zu:
Das folgende Applet generiert für drei ausgewählte Funktionen die zugehörigen Bernsteinpolynome und illustriert so deren Approximationsverhalten.
|