6.4. Eigenschaften stetiger Funktionen
In Abschnitt 5.5 haben wir gesehen, dass sich Grenzwert und Folgenglieder einer konvergenten Folge in ihrer Lage gegenseitig bedingen. In diesem Abschnitt zeigen wir, wie sich dieses Verhalten auf die stetigen Funktionen auswirkt.
Zunächst untersuchen wir, welchen Einfluss der Funktionswert auf seine Nachbarwerte hat.
Bemerkung: sei stetig in . Ist für ein , so gibt es eine relative -Umgebung von a, so dass
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[6.4.1] |
Beweis: Angenommen, es gibt keine solche Umgebung. Dann gibt es insbesondere zu jedem ein mit . ist also eine Folge in A, die die Abschätzung erfüllt, und somit gegen a konvergiert: . Mit [5.5.3] folgt also
im Widerspruch zu .
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Beachte:
[6.4.1] gilt natürlich auch für und damit insgesamt für . Oft wird [6.4.1] in einer speziellen Form angewandt:
Ist , so ist in einer geeigneten Umgebung
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[6.4.2] |
Auf und läßt sich [6.4.1] nicht übertragen. Für die stetige Quadratfunktion z.B. hat man , aber in keiner Umgebung von 0 bleibt diese Abschätzung erhalten.
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Auf die Stetigkeit von f kann man in [6.4.1] nicht verzichten. Setzt man etwa für
so ist , aber dies ist der einzige negative Funktionswert von f.
Mit dem üblichen Differenztrick kann man [6.4.1] auch zum Vergleich zweier Funktionen einsetzen.
Bemerkung: und seien stetig in . Ist , so gibt es eine relative -Umgebung von a, so dass
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[6.4.3] |
Beweis: Für die in a stetige Funktion hat man , und damit nach [6.4.1] auch die Behauptung.
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In einem zweiten Teil untersuchen wir nun umgekehrt, ob die Nachbarwerte den Funktionswert auf irgendeine Weise kontrollieren. Dabei wird - anders als zuvor - ein solcher Einfluss nur wirken können, wenn genügend viele Nachbarwerte vorliegen, a also kein isolierter, sondern ein Häufungspunkt von A ist.
Definition: Es sei . Eine reelle Zahl a heißt Häufungspunkt von A, falls es (mindestens)
eine Folge in gibt, die gegen a konvergiert.
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[6.4.4] |
a heißt isolierter Punkt von A, falls a kein Häufungspunkt von A ist.
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Beachte:
Die Forderung an , eine Folge in zu sein, verbietet u.a. konstante Folgen. Ließe man auch solche Folgen zu, wäre jeder Punkt Häufungspunkt jeder beliebigen nicht-leeren Menge!
Häufungspunkte und isolierte Punkte können, müssen aber nicht zu A gehören. So sind etwa 0 und 1 Häufungspunkte von . 2 und 3 hingegen sind isolierte Punkte dieser Menge.
Da , ist a genau dann Häufungspunkt von A wenn a Häufungspunkt von ist.
Häufungspunkte von Mengen und Häufungspunkte von Folgen sind wohl zu unterscheiden. So ist etwa 1 ein Häufungspunkt der Folge ; dagegen hat die Menge ihrer Folgenglieder überhaupt keine Häufungspunkte.
a ist genau dann Häufungspunkt von A wenn es in jeder -Umgebung von a mindestens ein von a verschiedenes Element aus A gibt.
Daher ist a genau dann isoliert, wenn es eine relative -Umgebung gibt, so dass .
Beispiel:
Beweis:
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Sei a eine beliebige reelle Zahl und A eine endliche Menge. Falls , ist a sicherlich kein Häufungspunkt von A, denn in gibt es keine Folgen. Für setzen wir
Für dieses ist dann gewährleistet, dass kein von a verschiedenes Element aus A enthält. a ist also isoliert.
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Ist a ein innerer Punkt von I, so liegen ab einem geeigneten alle Folgenglieder von in I. Die Folge belegt also, dass a ein Häufungspunkt von I ist.
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Ist a linker Eckpunkt von I, so betrachten wir wieder die Folge und argumentieren wie gerade. Analog gehen wir vor, wenn a rechter Eckpunkt ist. Wir ersetzen dabei lediglich die Ausgangsfolge durch .
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Für ein ist eine Folge in , die gegen a konvergiert. Sei jetzt . Nach [5.9.5] besitzt eine Dezimaldarstellung
Dabei liegen die Dezimalstellen in . Für hat man daher:
Also ist eine Folge in , die gegen konvergiert. Für ist damit die Behauptung bewiesen, für erreichen wir dies über .
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In einem Häufungspunkt, so können wir nun zeigen, orientiert sich eine stetige Funktion an den Nachbarwerten.
Bemerkung: sei stetig in , a ein Häufungspunkt von A. Dann gilt für jede relative -Umgebung und jedes :
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[6.4.9] |
Beweis: Da a Häufungspunkt von A ist, gibt es eine Folge in , die gegen a konvergiert. Es gibt also ein , so dass für alle . Für diese n ist nach Voraussetzung , also hat man wieder nach [5.5.3]: .
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Beachte:
[6.4.9] läßt sich auch für (und somit auch für ) formulieren und beweisen.
Zu einer Version für oder kann man [6.4.9] nicht verschärfen. So hat etwa die in 0 stetige Quadratfunktion, abgesehen von , nur Werte .
Ebenso kann man auf die Stetigkeit von f in a und die Bedingung, dass a ein Häufungspunkt ist, nicht verzichten.
Analog zu [6.4.3] kann man [6.4.9] auch zum Vergleich zweier Funktionen heranziehen. Wir notieren die Fassung für die Gleichheit.
Bemerkung: und seien stetig in , a ein Häufungspunkt von . Dann gilt für jede relative -Umgebung
:
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[6.4.10] |
Beweis: Für die in a stetige Funktion hat man: für alle . Also ist .
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Stetige Funktionen sind also in den Häufungspunkten ihres Definitionsbereichs durch die Werte in den Nachbarpunkten bereits eindeutig bestimmt. Für eine stetige Funktion auf etwa, reicht es daher nach [6.4.8] nur ihre Werte auf zu kennen.
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